StVO-Novelle 2020

 
     
 

Die StVO-Novelle vom 28.04.2020 ist vermutlich unwirksam.

 
     
 

Und täglich grüßt das Murmeltier. Naja zumindest "jahrzehntlich", was in Bezug auf die Dauer von Gesetzgebungsverfahren auch ein vergleichsweise kurzer Zeitraum sein kann. Jedenfalls ist es jetzt wieder soweit: Ein Verstoß gegen das Zitiergebot aus Art. 80 Abs. 1 Satz 3 des Grundgesetzes, im Zusammenhang mit der StVO.

Stark vereinfacht ausgedrückt soll das Zitiergebot verhindern, dass z.B. Verordnungen, welche die Grundrechte einschränken, losgelöst von der vorgesehen Normenhierarchie getroffen werden können. An der Spitze dieser Hierarchie steht das Grundgesetz, auf welchem alle nachgeordneten (auch kleinteilige) Gesetzgebungsverfahren aufbauen. Die StVO kann z.B. (aus sich allein heraus) keine Vorgaben treffen, für die es in höherwertigen Gesetzen, wie z.B. dem StVG keine Rechtsgrundlage gibt. Das StVG wiederum darf keine Bestimmungen enthalten, die dem Grundgesetz zuwiderlaufen usw. In der Konsequenz muss also auch eine StVO-Änderung bis zum Grundgesetz "zurückverfolgt" werden können - fehlt dieser Bezug, ist die Verordnung nichtig. Es handelt sich daher gewissermaßen um eine vordefinierte "Sollbruchstelle" als Schutzfunktion für die Grundrechte und mahnt insbesondere die Politik, ihre Entscheidungen wohl durchdacht zu treffen. Wie gut dies in der Praxis gelingt, steht auf einem anderen Blatt.

 
     
 

Im Falle der fraglichen StVO-Novelle von Verkehrsminister Scheuer liegt nun ein solcher Zitierfehler vor. Es wird in der Präambel lediglich Bezug auf § 26a Abs.1 Nr. 1 und 2 StVG genommen, nicht jedoch auch auf § 26a Abs.1 Nr. 3, was im Falle der Regelfahrverbote notwendig gewesen wäre. Das ist in der Tat eine Kleinigkeit - gewissermaßen wie ein Rächtschreipfäler, der letztendlich nicht den Sinn der Regelung entstellt - aber in der strengen Auslegung darf dies nun einmal nicht vorkommen. Auf Grund der wichtigen Funktion des Zitiergebotes kommt es schließlich nicht darauf an, ob es sich lediglich um die nachlässige Formulierung eines Bundesministeriums handelt, oder ob z.B. in anderen Fällen gezielt versucht wird, die Normenhierarchie zu umgehen.

 
     
 

Interessant ist dieses Thema vor allem deshalb, weil sich eine ähnliche Problematik bereits im Jahr 2010 ergeben hatte, damals noch unter Verkehrsminister Peter Ramsauer. Dieser hatte von seinem Vorgänger Tiefensee ein gravierendes Problem "geerbt": Im Zuge der Schilderwaldnovelle von September 2009 wurde im § 53 StVO mit dem Absatz 9 ein Passus gestrichen, der alten Verkehrszeichen in der Gestaltung vor 1992 weiterhin Gültigkeit verschaffte. Hätte man diesen Absatz damals nicht eingeführt, wären diese Schilder im Jahr 1992 von einem Tag auf den anderen ungültig. Dies war nun der Fall. Im Zuge der "Rechtsbereinigung" wurden mit der StVO-Novelle 2009 zahlreiche Übergangsfristen gestrichen, die zeitlich bereits abgelaufen bzw. verjährt waren. Die Regelung zur Gültigkeit der alten Verkehrszeichen war hingegen zeitlich unbefristet und weiterhin notwendig - gestrichen wurde sie trotzdem.

 
     
 

Der Autor dieser Website hatte diesen Fehler damals in zahlreichen Artikeln beschrieben. Aus der anfänglichen Skepsis auf Fachebene wurde recht schnell Gewissheit (wobei der Sachverhalt bis heute umstritten ist) und folglich beschäftigten sich insbesondere im Frühjahr 2010 bundesweit viele Behörden mit dem Problem der ungültigen Verkehrszeichen, welche zu sehr hohen Kosten ausgetauscht werden mussten. Es dauerte folglich nicht lange, dass die Medien auf dieses Thema aufmerksam wurden und es entsprechend aufbereiteten. Der Druck auf Verkehrsminister Ramsauer wuchs, eine Lösung musste her, weil insbesondere Ordnungswidrigkeiten nicht geahndet werden konnten, wenn vor Ort ein altes Verkehrszeichen angebracht war.

 
     
 

Eine Wiedereinführung der gestrichenen Regelung im Zuge einer möglichen StVO-Änderungsverordnung hätte in der Konsequenz keine Auswirkungen gehabt, da die alten Schilder mit Stichtag 01.09.2009 ihre Wirksamkeit verbindlich verloren haben. Was weg ist, ist weg -  keine Lösung in Sicht. Doch Verkehrsminister Ramsauer hatte einen Rettungsanker: Das Zitiergebot. Entsprechend erklärte er in seiner Pressekonferenz vom 13.04.2010, dass die Schilderwaldnovelle nichtig sei. Tatsächlich wurde in der Präambel eine Rechtsgrundlage komplett vergessen und eine andere falsch zitiert. Die anwesenden Medien bat er, in ihrer Funktion als (Achtung!) "transmissionsmediale - kommunikative Transmissionsriemen" seine Botschaft nach außen zu tragen, ohne dass er erst eine Aufhebungsgesetzgebung anstrengen müsse. Schon diese Aussage ist mehr als fraglich, steht es doch einem Minister gar nicht zu, die Nichtigkeit einer von seinem Hause begleiteten StVO-Novelle festzustellen, denn hierfür gibt es das Normenkontrollverfahren. Video-Link: Der Spiegel, Schildbürgerstreich StVO-Novelle 2009

 
     
 

Umso bemerkenswerter ist, dass die im Herbst 2010 eingeführte Winterreifenpflicht durch das Verkehrsministerium in die nunmehr angeblich wieder gültige alte StVO übernommen wurde, während das Bundesjustizministerium die Inhalte in die neue StVO-Variante von September 2009 einpflegte. Fortan existierten also zwei Fassungen der StVO - zumindest im Internet. Auf entsprechende Nachfrage erläuterte das BMVBS, dass die StVO auf dessen Website ja nur "ein Service für den Bürger sei", der allerdings nicht notwendigerweise die amtliche Fassung repräsentiere. Man schafft also nicht nur "aus Versehen" eine wichtige Übergangsregel ab und beseitigt die resultierenden Probleme, in dem man ohne ein verwaltungsrechtliches Verfahren die Nichtigkeit der fraglichen StVO-Novelle bekundet, sondern man bezeichnet am Ende noch die "eigene" Web-StVO als nicht rechtsverbindlich. Das muss man erst mal setzen lassen.

 
     
 

Natürlich ist die Geschichte an dieser Stelle noch nicht zu Ende, denn es bedurfte ja zur endgütigen "Heilung" dieser Problematik einer entsprechenden Änderungsverordnung bzw. Neufassung der StVO. Was im Zuge der o.g. Pressekonferenz als "schnellstmöglich" angekündigt wurde, dauerte am Ende ganze drei Jahre, und trat in Gestalt des StVO-Neuerlasses im April 2013 in Kraft. Damit wurde die gesamte StVO erstmals seit 1970 wieder komplett neu erlassen, denn bis dato erfolgten immer nur gezielte Änderungen. Der Neuerlass war dem Vernehmen nach erforderlich, da ähnliche Zitierfehler möglicherweise auch schon in früheren Änderungsverordnungen enthalten gewesen sein könnten, mit der Folge, dass die gesamte Straßenverkehrs-Ordnung rückwirkend bis 1970 wie ein Kartenhaus zusammenbräche. Es besteht allerdings auch die Vermutung, dass man mit dem Neuerlass die bis heute nicht abschließend geklärte Rechtslage um die Schilderwaldnovelle 2009 bereinigen wollte - alles auf Null sozusagen.

 
     
 

Der amtierende Verkehrsminister Andreas Scheuer hat nun abermals den "Joker Zitiergebot" aus dem Hut gezaubert und man könnte angesichts der zuvor aufgekommenen Diskussion über die Verhältnismäßigkeit der neuen Bußgelder nebst Fahrverboten auf die Idee kommen, es handele sich bei Verstößen gegen das Zitiergebot um eine bewusst eingebaute Stolperstelle. Sicherlich eine Unterstellung, die jedoch angesichts der Erfahrungen, die man im Verkehrsministerium angesichts der Geschichte um die Schilderwaldnovelle mit dieser Problematik eigentlich haben müsste, auch nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Zwar waren die nunmehr kritisierten Verschärfungen im ursprünglichen Entwurf aus dem Hause Scheuer noch nicht enthalten, da sie erst im Zuge des Gesetzgebungsverfahrens eingeflossen sind, dennoch hat Herr Scheuer diese Änderungen - zumindest formell - mitgetragen. Das niemandem vorher der Zitierfehler aufgefallen ist, spricht allerdings auch für die Sorgsamkeit, mit welcher sich alle Verantwortlichen mit derartigen Gesetzesentwürfen befassen.

 
     
 

Entsprechend gibt es nun auch die Kuriosität, dass man (die Wirksamkeit der Novelle vorausgesetzt) bei Geschwindigkeitsübertretungen im Verwarngeldbereich günstiger wegkommt, wenn man den Verstoß mit einem LKW und insbesondere PKW mit Anhänger begeht. Fährt man mit dem gleichen PKW und der gleichen Geschwindigkeitsübertretung ohne Anhänger in die Radarfalle, kostet es mehr. Man darf daher gespannt sein, wie schnell die nunmehr erforderlichen Anpassungen der gesamten Novelle erfolgen und was von der ursprünglichen Fassung übrig bleibt. In jedem Fall sollte man beim zu erwartenden HickHack um die Rücknahme der verschärften Regelungen nicht den Blick auf die korrekte Formulierung der Präambel vergessen.

 
     
 

Immerhin bleibt in dieser Sache auch ein gewisser Trost, da im Zuge der jüngsten Diskussion auch einige Landesverkehrsminister daran erinnert wurden, dass es im Straßenverkehr auf eine bundeseinheitliche Rechtslage ankommt. So musste z.B. auch Thüringens Verkehrsminister Hoff lernen, dass er sich - so gut wie ihm die neuen Bußgeldvorschriften auch gefallen mögen - der verfassungsrechtlich definierten Rechtslage beugen muss und nicht nach eigenem Ermessen an einer nichtigen Verordnung festhalten kann. Am Ende wäre es wünschenswert, wenn die Erkenntnisse aus der aktuellen Situation zukünftig eine stärkere Rolle spielen, insbesondere dass man in Gesetzesentwürfen auch einmal "zwischen den Zeilen liest" und nicht bloß in der Bundesratsabstimmung die Hand hebt (wobei man Thüringen in diesem Fall keinen Vorwurf machen kann, da es dank des Wahldebakels im Frühjahr zur relevanten Sitzung gar nicht vertreten war). Der Autor dieser Website ist jedenfalls schon gespannt, wann er den nächsten Beitrag zum Thema "Die StVO und das Zitiergebot" verfassen kann.

 
     
 

Die StVO-Novelle nebst neuer BKatV ist seit 28.04.2020 in Kraft !

 
     
 

Die vierundfünfzigste Verordnung zur Änderung straßenverkehrsrechtlicher Vorschriften wurde am 27.04.2020 im Bundesgesetzblatt bekannt gegeben und ist seit dem 28.04.2020 in Kraft. Während die wesentlichen Änderungen den Bereich der Ordnungswidrigkeiten betreffen - was hier ausdrücklich nicht thematisiert werden soll - gibt es auch einige Anpassungen bei den Verkehrszeichen - insbesondere in Gestalt neuer Schilder und Sinnbilder. Eine entsprechende Anpassung des VzKat sowie der VwV-StVO steht bislang noch aus.

 
     
 

Neue Verkehrszeichen und Sinnbilder

 
 

 

 
 

Grüner Pfeil für Radfahrer (Rad Fahrende)

 
     
 

 
 

Durch dieses Zeichen wird der Grünpfeil auf den Radverkehr beschränkt

 

 

 

 

 

Sinnbild "Lastenfahrrad"

 
     
 

 
 

neues Sinnbild "Lastenfahrrad"

 

 

 

 

 

Sinnbild "mehrfach besetzte Personenkraftwagen"

 
     
 

 
 

neues Sinnbild "mehrfach besetzte Personenkraftwagen"

 
     
 

Mit dem Sinnbild für "mehrfach besetzte Personenkraftwagen" verlässt das BMVI die bisherige Bedeutung des "KFZ in Frontansicht". Bislang steht diese Darstellung für "Kraftwagen oder sonstige mehrspurige Fahrzeuge" - z.B. bei Zeichen 251. Derartige Verkehrszeichen gelten daher auch für LKW usw. Mit drei stilisierten Personen ergänzt, steht es im Zuge der StVO-Novelle jedoch für "Personenkraftwagen oder Krafträder mit Beiwagen, die mit mindestens 3 Personen besetzt sind". Ein mit drei oder mehr Personen besetzter LKW (z.B. Doppelkabine) fällt daher nicht unter die mit diesem Sinnbild verknüpfte Regelung (z.B. Freigabe Busspur).

Bemerkenswert ist, dass die ursprünglich mit diesem Sinnbild verknüpfte Freigabe von Busspuren für "mehrfach besetzte Personenkraftwagen" nicht in die StVO übernommen wurde. Dem Sinnbild fehlt es daher an einer Möglichkeit zur Anwendung, auch weil es an entsprechenden ordnungsrechtlichen Vorgaben bzw. Sanktionierungsmöglichkeiten mangelt. Es taugt allenfalls für Verkehrsversuche, die es aber im Grunde auch schon vor der StVO-Novelle gab (Umweltspur Düsseldorf).

 
     
 

 

 

 

Personenkraftwagen
 

Personenkraftwagen
(mehrfach besetzt)

Kraftwagen oder sonstige mehrspurige Fahrzeuge

 

 
     
 

Folglich gibt es nunmehr ein weiteres Sinnbild, dass nicht zwingend die Bedeutung hat, die man ggf. vermutet: Der "LKW" ist gemäß StVO kein LKW sondern ein Kraftfahrzeug mit einer zulässigen Gesamtmasse über 3,5t [...], der Traktor ist kein Traktor, sondern steht für Kraftfahrzeuge und Züge, die nicht schneller als 25 km/h fahren können oder dürfen. Ein PKW in Frontansicht steht nicht für PKW, sondern für Kraftwagen oder sonstige mehrspurige Fahrzeuge und damit auch LKW, Kraftomnibusse - aber nicht, wenn drei stilisierte Personen enthalten sind - dann handelt es sich tatsächlich nur um PKW.

 

 

 

 

 

Sinnbild "Wohnmobil"

 
     
 

 
 

Sinnbild "Wohnmobil"

 

 

 

 

 

Sinnbild "Elektrokleinstfahrzeug"

 
     
 

 

 

 

 

Sinnbild "Elektrokleinstfahrzeug"

 

Zeichen 1022-16

 

 

 

 

 

 

Sinnbild "Carsharing"

 
     
 

 

 

 

Sinnbild "Carsharing"

Zeichen 1024-12

beschränkende Variante

 

 
     
 

Das Sinnbild für Carsharing, welches sowohl auf Zusatzzeichen, als auch als Fahrbahnmarkierung entsprechender Stellflächen zum Einsatz kommen soll, existiert als Entwurf schon länger. Ob die grafische Gestaltung die amtliche Bedeutung hinreichend vermittelt, ist eher fraglich. Da ohnehin vorgesehen ist, den Namen des Carsharing-Anbieters als weiteres Zusatzzeichen der Beschilderung hinzuzufügen (Stichwort: Reduzierung des Schilderwaldes?), würde auch ein kombiniertes textliches Zusatzzeichen "Carsharing - Firmenname" genügen. Das durch die Nennung des Anbieters das "Werbeverbot in Verbindung mit Verkehrszeichen" (§33 Abs. 2, Satz 2) ggf. tangiert wird, bleibt in der StVO-Novelle unberücksichtigt.

 
     
 

Aufforstung des Schilderwaldes und Interpretationsprobleme
Wie bereits der Artikel zur Beschilderung von Ladesäulen für Elektrofahrzeuge auf dieser Website verdeutlicht, bestehen in der Praxis vergleichsweise große Probleme, für eine klare und verständliche Beschilderung zu sorgen. Die nunmehr vorhandene Möglichkeit, auch Stellflächen für Carsharing-Fahrzeuge auszuweisen bzw. diese von bestimmten Beschränkungen auszunehmen, lässt den Schilderwald weiter wachsen und sorgt für zusätzliche Hürden bei der Interpretation von Verkehrszeichen-Kombinationen. Hierzu ein Beispiel aus der Praxis, leider ohne Foto auf Grund des Urheberrechts:

 
 

 
     
 

Handelt es sich hierbei um einen Parkplatz für Carsharing-Fahrzeuge, aber nur für solche, die elektrisch betrieben sind und über ein E-Kennzeichen verfügen? Oder dürfen hier Carsharing-Fahrzeuge und (alle) elektrisch betriebenen Fahrzeuge mit E-Kennzeichen gleichermaßen Parken? Natürlich gibt es die viel zitierte Verkehrszeichen-Leseart "von oben nach unten" und "Zusatzzeichen beziehen sich immer auf das darüber befindliche Verkehrszeichen", daher auch Zusatzzeichen auf Zusatzzeichen. Wie falsch es sein kann, diese "Regelung" als allgemeinverbindlich anzusehen, zeigt dieses Beispiel:

 
     
 

 
 

Hier dürfte zweifellos klar sein, dass sich alle drei Zusatzzeichen separat auf das Zeichen 314 beziehen. Es handelt sich um einen Parkplatz für "LKW" mit Anhänger, Kraftomnibusse und PKW mit Anhänger. Würden sich die Zusatzzeichen gemäß der oben genannten Leseart aufeinander beziehen, wäre es mit der Sinnhaftigkeit der Beschilderung dahin.

 
     
 

Bemerkenswert sind auch die neu geschaffenen Möglichkeiten zur Gestaltung von "Schilderbäumen", so wie sie z.B. in der Bundeshauptstadt schon seit jeher sehr beliebt sind. Gerade im Falle von Zonen für eingeschränktes Haltverbot bzw. in verkehrsberuhigten Geschäftsbereichen benötigt die Aufstellvorrichtung demnächst eine eigene Statik:

 
 

 
 

...so besser nicht!

 

 

 

 

 

Zeichen 244.3 und 244.4

 
     
 

 

 

 

 

Zeichen 244.3
"Beginn einer Fahrradzone"

 

Zeichen 244.4
"Ende einer Fahrradzone"

 

 
     
 

Für Fahrradzonen gelten die gleichen Anordnungskriterien, wie sie bereits für Tempo-30-Zonen formuliert sind (die Praxis ist oftmals eine andere):

- nicht auf Straßen des überörtlichen Verkehrs (Bundes- Landes- und Kreisstraßen)

- nicht auf Vorfahrtstraßen (Zeichen 306)

- nur auf Straßen ohne durch Lichtzeichen geregelte Kreuzungen oder Einmündungen

- nur auf Straßen ohne Fahrstreifenbegrenzungen (Zeichen 295) und Leitlinien (Zeichen 340)

- nur auf Straßen ohne benutzungspflichtige Radwege (Zeichen 237, 240, 241 oder Zeichen 295  i.v.m. Zeichen 237)

- an Kreuzungen und Einmündungen muss grundsätzlich die Vorfahrtregel nach § 8 Abs.1 Satz 1 StVO "rechts vor links" gelten

 
 

Innerhalb der Fahrradzone ist in regelmäßigen Abständen das Zeichen 244.3 als Sinnbild auf der Fahrbahn anzubringen.

 
     
 

Zeichen 277.1 und 281.1

 
     
 

 

 

 

 

Zeichen 277.1
Verbot des Überholens von
einspurigen Fahrzeugen für
mehrspurige Kraftfahrzeuge
und Krafträder mit Beiwagen“.

 

Zeichen 281.1
Ende des Verbots des Überholens
von einspurigen Fahrzeugen
für mehrspurige Kraftfahrzeuge
und Krafträder mit Beiwagen“.

 

 
 

 

 
 

Das Zeichen 277.1 bzw. dessen Aufhebungszeichen 281.1 sind hinsichtlich der grafischen Gestaltung ein neuer Tiefpunkt in der jüngsten Änderungshistorie der Verkehrszeichen in Deutschland. Elementare Anforderungen an die Erkennbarkeit, insbesondere der von Sinnbildern, wurden hier in schon bemerkenswerter Weise missachtet. Derartige Versuche kennt man sonst nur von nichtamtlichen Schildern z.B. auf Supermarktparkplätzen.

 
     
 

Passend zur fragwürdigen Gestaltung zeigt sich letztendlich auch der hierzu verfasste Verordnungstext. Das beginnt damit, dass das "rote Auto" in Zeichen 277.1 eine andere Bedeutung hat, als das identische "rote Auto" in Zeichen 276. Bisher stand dieses Sinnbild für alle Kraftfahrzeuge, daher gilt ein Überholverbot durch Zeichen 276 auch für Motorräder. Das neue Zeichen 277.1 hingegen beschränkt das Überholverbot auf mehrspurige Kraftfahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen. Letztere werden in der StVO schon bei Zeichen 276 explizit benannt, da ein Motorrad mit Beiwagen per Definition nicht als mehrspuriges Fahrzeug zählt. Ein "normales" Motorrad ohne Beiwagen fällt hingegen nicht unter das Überholverbot von Zeichen 277.1, was mit Blick auf die Zielstellung der Regelung auch sinnvoll erscheint.

 
     
 

Es wäre jedoch zu einfach, wenn lediglich dasselbe Sinnbild (rotes Auto) in zwei vergleichbaren Verkehrszeichen jeweils eine unterschiedliche Bedeutung hat. Im Zuge der Beratungsvorgänge zur StVO-Novelle wurde aus den Ausschussempfehlungen (BR-Drs. 591/1/19) ein Vorschlag zur Benennung eines gesonderten Ge- oder Verbotes zu Zeichen 277.1 übernommen. Ursprünglich sollte nur eine Ergänzung der Formulierung in der lfd.-Nr. zu 53, 54, und 54.4 der Anlage 2 getroffen werden, ähnlich wie es bereits bei Zeichen 276 der Fall ist:

 
     
 
 

Zu 53,54
und 54.4

 

Ge- oder Verbot
Die nachfolgenden Zeichen 276 und 277 verbieten Kraftfahrzeugen das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen und Krafträdern mit Beiwagen. Ist auf einem Zusatzzeichen eine Masse, wie "7,5t" angegeben, gilt das Verbot nur, soweit die zulässige Gesamtmasse dieser Kraftfahrzeuge, einschließlich ihrer Anhänger, die angegebene Grenze überschreitet.

Soll mehrspurigen Kraftfahrzeugen und Krafträdern mit Beiwagen das Überholen von einspurigen Fahrzeugen verboten werden, ist Zeichen 277.1 angeordnet.

 
 
     
 

Unter der lfd.-Nr. 54.4 selbst, die in der ursprünglichen Entwurfsfassung kein eigenes Ge- oder Verbot enthalten sollte, findet sich nun folgender Text:

 
     
 
 

54.4

Zeichen 277.1

Verbot des Überholens von einspurigen Fahrzeugen für mehrspurige Fahrzeuge und Krafträder mit Beiwagen

Ge- oder Verbot
Wer ein mehrspuriges Kraftfahrzeug führt, darf ein- und mehrspurige Fahrzeuge nicht überholen.

 
 
     
 

Und jetzt wird es etwas kompliziert, aber durchaus interessant: Die amtliche Bezeichnung des Verkehrszeichens (Spalte 2) passt nicht zur Verhaltensvorschrift (Ge- oder Verbot) in Spalte 3 -  doch nur letztere ist im Rahmen der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten relevant. Während das Verkehrszeichen gemäß amtlicher Bezeichnung auch Krafträdern mit Beiwagen das Überholen verbieten soll, gilt das relevante Ge- oder Verbot nur für mehrspurige Kraftfahrzeuge (wozu Krafträder mit Beiwagen wie beschrieben nicht zählen). Mit einem PKW der Smart-Klasse dürfte man z.B. einen Radfahrer (Rad Fahrende) nicht überholen, mit einem Motorrad mit Beiwagen gleicher Breite aber schon (wobei hier wiederum die neu definierten Seitenabstände einzuhalten wären).

Bemerkenswert ist allerdings der Umstand, dass die Verhaltensvorschrift auch auf das unzulässige Überholen mehrspuriger Fahrzeuge abstellt. Entgegen der amtlichen Bezeichnung des Verkehrszeichens in Spalte 2 und insbesondere dessen grafischer Darstellung, ist bei Zeichen 277.1 auch das Überholen von z.B. PKW oder Traktoren untersagt. Denn im Gegensatz zu Zeichen 276, welches nur das Überholen von mehrspurigen Kraftfahrzeugen verbietet, verbietet Zeichen 277.1 das Überholen von allen Fahrzeugen. Dies war lt. Ausschussempfehlung auch ausdrücklich erwünscht:

 
     
 

 

BR-Drs 591/1/19 (Zeichen 277.1)
Begründung
Die Änderung statuiert aus Gründen der Verständlichkeit das bislang in Spalte 3 der laufenden Nummer Zu 53, 54 und 54.4 der Anlage 2 StVO enthaltene Verbot unmittelbar beim neuen Zeichen 277.1 (laufende Nummer 54.4, Spalte 3). Sie stellt gleichzeitig klar, dass das Überholverbot nicht nur für einspurige Fahrzeuge gilt, sondern auch das Überholen mehrspuriger Fahrzeuge erfasst.

 

 
     
 

 
 

Auf einer Straße wie dieser (Zeichen 277.1 ist eine Fotomontage und eigentlich ein Zeichen 274-60, der Rest ist original, insbesondere die Schneeflocke im Juni), darf daher der Motorradfahrer einen PKW überholen, der PKW jedoch kein Motorrad, obwohl die Abstände identisch sind. Ein Motorrad mit Beiwagen dürfte unter Wahrung des seitlichen Sicherheitsabstandes (2m außerorts) einen Radfahrer überholen, ein PKW mit gleicher Breite dürfte dies nicht. Wer wiederum das Schild nur nach den Sinnbildern wertet bzw. sich an die amtliche Bedeutung hält, wonach nur das Überholen von einspurigen Fahrzeugen untersagt wäre, überholt den "Sonntagsfahrer" im PKW und begeht eine Ordnungswidrigkeit, weil er einerseits ein mehrspuriges Fahrzeug überholt und gleichermaßen den bislang vom vorausfahrenden Fahrzeug verdeckten Radfahrer. Den Motorradfahrer mit Beiwagen kümmert dies alles nicht, denn er darf beide überholen. Da Zeichen 277.1 das Überholen von Fahrzeugen allgemein verbietet, dürfen z.B. auch Pferdekutschen nicht überholt werden - es sei denn man ist Motorradfahrer (auch mit Beiwagen).

 
     
 

Anordnung des Zeichen 277.1 in der Praxis eher fragwürdig
Als würden die bisher angeführten Probleme nicht schon ausreichen, torpediert sich die StVO im Falle des neuen Zeichen 277.1 gewissermaßen auch noch selbst, denn die Verwaltungsvorschrift VwV-StVO untersagt den Einsatz von Verkehrszeichen, wenn die beabsichtigte Anordnung bereits durch eine allgemeine Regelung der StVO getroffen wird:

 
     
 

 

VwV-StVO zu den §§ 39 bis 43
Allgemeines über Verkehrszeichen und Verkehrseinrichtungen

Verkehrszeichen, die lediglich die gesetzliche Regelung wiedergeben, sind nicht anzuordnen. Dies gilt auch für die Anordnung von Verkehrszeichen einschließlich Markierungen, deren rechtliche Wirkung bereits durch ein anderes vorhandenes oder gleichzeitig angeordnetes Verkehrszeichen erreicht wird. Abweichungen bedürfen der Zustimmung der obersten Landesbehörde.

 

 
     
 

Die Festlegung betrifft auch viele andere Beschilderungen, bei denen die Behörden Verkehrszeichen gewissermaßen als "Verstärkung" der allgemeinen Regel einsetzen. Dies ist verwaltungsrechtlich gesehen unzulässig, forstet nur unnötig den Schilderwald auf und verwässert die eigentliche Bedeutung der allgemeinen gesetzlichen Vorschrift, da der Verkehrsteilnehmer in allen vergleichbaren Situationen auch ein Schild erwartet.

 
     
 

Bezüglich des Z 277.1 existiert die allgemeine gesetzliche Regelung in Gestalt des § 5 Absatz 4 StVO, wonach zum Überholen von Fußgängern (zu Fuß Gehenden), Radfahrern (Rad Fahrenden) und E-Roller-Fahrern (jetzt kommt's: Elektrokleinstfahrzeug Führenden) ein Mindestabstand von 1,50m innerorts und 2,00m außerorts einzuhalten ist. An Stellen, die z.B. auf Grund schmaler Fahrbahnbreite für eine Anordnung des Zeichen 277.1 prädestiniert wären, besteht formell gesehen bereits ein gesetzliches Überholverbot, da die vorgeschriebenen Seitenabstände vor Ort nicht eingehalten werden können - also darf das Zeichen dort nicht angeordnet werden.

 
     
 

Zeichen 451 und 451.1

 
     
 

 

 

 

 

Zeichen 451
Radschnellweg

 

Zeichen 451.1
Ende des Radschnellweges

 

 

 

 

 

 

Zeichen 342

 
     
 

 
 

Zeichen 342
Haifischzähne

 
 

 

 
 

...diese Seite ist noch in Bearbeitung und wird fortgesetzt, sobald die Rechtslage um die Nichtigkeit der StVO-Novelle bereinigt ist.

 
     
 
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